Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Serbien (Geschichte)'
zu erklären, weil angeblich das Gleichgewicht auf der Balkanhalbinsel gestört sei. Aber der
konzentrische Vormarsch gegen Sofia wurde von den Bulgaren bei den Werken von Slivnica
zurückgewiesen (17. bis 19. Nov.), der Versuch, Vidin einzunehmen, mißlang ebenfalls,
worauf Fürst Alexander von Bulgarien 27. Nov. Pirot besetzte, wo durch österr. Intervention
ein Waffenstillstand zu stande kam. Der Friede von Bukarest 3. März 1886 erneuerte den
Status quo ante. Dieser Mißerfolg erschütterte die
Stellung des Königs in hohem Maße. Dazu gesellte sich eine wachsende Schuldenlast
(Ende 1887: 286 Mill.), da man auch die jährlichen Deficits außer der Vermehrung der
Steuern meist durch neue Schulden deckte. Ferner schadete dem Ansehen Milans sein
Konflikt mit der Königin Natalie, von der er sich Okt. 1888 kirchlich scheiden ließ, worauf sie
das Land verließ. Unter dem Drang dieser Umstände trennte sich Milan von der
Fortschrittspartei; schon 13. Juni 1887 hatte er ein liberal-radikales Koalitionsministerium
Ristić berufen, dem Jan. 1888 ein radikales Kabinett unter General Gruić, 27. April wieder
ein Beamtenministerium unter Nik. Christić gefolgt war. Endlich suchte er, mit allen Parteien
verfeindet und isoliert, sich durch eine neue Verfassung auf sehr freisinniger Grundlage zu
festigen, die von der Skupschtiua angenommen und 22. Dez. 1888 (3. Jan. 1889)
unterzeichnet wurde. Am 7. Jahrestage der Königsproklamation 6. März 1889 überraschte
Milan das Land mit seiner Abdankung zu Gunsten seines 12jährigen Sohnes
Alexander und siedelte nach Paris über. Er ernannte
eine Regentschaft, die aus Ristić und den Generalen Protić und Belimarković bestand.
Diese erließ sogleich eine Amnestie, und die Radikalen gewannen wieder die Oberhand in
der Skupschtina, dem Staatsrat und der ganzen Verwaltung. Die Ministerien waren radikal,
April 1890 unter General Gruić, Febr. 1891 unter Paschić. Auch die Königin und der
Metropolit Michael kehrten ins Land zurück. Die Finanzen suchte man durch Ersparungen zu
bessern und übernahm die Eisenbahnen in den Staatsbetrieb. Mit Österreich gab es aus
Anlaß von Handelsfragen mehrfache Konflikte, und immer entschiedener neigte sich das
Regierungssystem Rußland zu. Milan erhielt 1891: 1 Mill. als Vorschuß aus der Civilliste
gegen das Versprechen, bis zur Großjährigkeit des Königs nicht ins Land zu kommen, und
entsagte März 1892 allen seinen Rechten, auch der serb. Staatsangehörigkeit; die
Königin-Mutter wurde Mai 1891 von der Regierung zur Abreise gezwungen. Das finanzielle
Elend nährte die leidenschaftlichen Parteifehden, die schließlich zu einer Reihe von
Umwälzungen führten. Am 21. Aug. 1892 entließ die Regentschaft, in der die dritte Stelle
nach dem Tode des Generals Protić (17. Juni 1892) unbesetzt geblieben war, das Kabinett
Paschić, setzte ein ganz liberales Ministerium Awakumović ein und erlangte durch
Beeinflussung der Wahlen auch eine Majorität im Landtag. Am 13. April 1893 folgte ein
Staatsstreich des jungen Königs, der sich mit Unterstützung der Armee für großjährig
erklärte, die Regenten und Minister bei einem Diner im Palast bei sich gefangen nehmen
ließ und ein radikal-fortschrittliches Kabinett unter seinem Erzieher Dokić einsetzte. Als
dieser in Abbazia starb, wurde 5. Dez. wieder Gruić Ministerpräsident; jedoch führte der von
der Skupschtina begonnene Prozeß gegen das gefallene ↔ Ministerium
Awakumović sowie die übertriebenen Ansprüche der Radikalen bald zu einer Entfremdung
mit dem jungen König. Am 21. Jan. 1894 kehrte Milan aus Paris plötzlich nach Belgrad
zurück, Gruić gab seine Dimission, und nach längern Beratungen wurde 24. Jan. Simić an
die Spitze der neuen Regierung gestellt, der jedoch schon 3. April zurücktrat. Die Leitung
des Kabinetts übernahm der bisherige Minister des Innern Nikolajević. Durch ein königl.
Dekret vom 29. April wurden die Eltern des Königs, zwischen denen Jan. 1893 eine
Aussöhnung erfolgt war, in alle ihre Rechte wieder eingesetzt. Als der radikale Kassationshof
dieses Dekret als verfassungswidrig bezeichnete, suspendierte der König durch ein
Manifest vom 21. Mai die Dezemberverfassung von 1888 und stellte die alte Verfassung von
1869 mit den dazugehörigen Wahl-, Preß- und Gemeindegesetzen wieder her, wobei das
Kabinett Nikolajević bestätigt und der Staatsrat und Kassationshof neu gebildet wurden.
Anfang Juli stattete der König dem Sultan einen Besuch in Konstantinopel ab, dem weitere
Besuche in Wien, Berlin und Paris folgten. Weil Nikolajević eine schärfere Disciplin unter den
Beamten herzustellen und eine Umformung des Ministeriums herbeizuführen wünschte und
verlangte, daß der König Milan das Land verlasse, erhielt er seinen Abschied, worauf
27. Okt. 1894 Nikola Christić die Neubildung eines neutralen Ministeriums übernahm. Die
unter seiner Leitung April 1895 stattfindenden Neuwahlen zur Skupschtina ergaben eine
große Majorität für die regierungsfreundliche Fortschrittspartei. Trotzdem verwarf die
Skupschtina 4. Mai eine Finanzvorlage der Regiernng, worauf der Finanzminister Petrović
zurücktrat. Dem König Milan wurde 6. Mai eine Apanage bewilligt, die Königin Natalie kehrte
10. Mai nach Belgrad zurück.
Vgl. zur Geschichte außer den Schriften von Novaković (s. d.) und
Ristić (s. d.): Cunibert,
Essai historique sur les révolutions et l’independance de la serbie
depuis 1804 jusqu’á 1850 (Lpz. 1855); Hilferding, Geschichte der Serben und
Bulgaren (nur bis 1018; aus dem Russischen von Schmaler, 2 Bde., Bautzen 1856–64);
Ranke, S. und die Türkei im 19. Jahrh. (Lpz. 1879); Kallay, Geschichte der Serben (Bd. 1,
aus dem Ungarischen von Schwicker, Budapest 1878); Mijatović,
History of modern Servia (Lond. 1872); R.Möller, Der
Serbisch-Bulgarische Krieg 1885 (2. Ausg., Hannov. 1891).
Serbische Kirche, ein Teil der
Griechischen Kirche (s. d.). Der heil.
Sava (Sabbas), Sohn des Groß-Župans Nemanja, gründete 1219 mit Zustimmung des
Patriarchats von Konstantinopel (damals in Nicäa) ein autokephales und autonomes serb.
Erzbistum mit der Residenz in Peć (Ipek) und war selbst der erste Erzbischof. 1346 wurde
dieses vom Zaren Stephan Duschan zum Patriarchat erhoben, das von der Konstantinopeler
Kirche erst 1375 anerkannt wurde. Nach der türk. Eroberung war es 1459–1557 vereinigt mit
dem ältern Patriarchat von Ochrida in Macedonien, erlangte aber durch den Großwesir
Mehmed Sokolović wieder seine Selbständigkeit. 1690 siedelte der Patriarch von Peć,
Arsenij Crnojević, nach Südungarn über, wo seine Nachfolger bis jetzt in Karlowitz in Syrmien
residieren. Indessen wurde auch in Peć das Patriarchat neu besetzt, bis es 1766 mit dem
Konstantinopeler Patriarchat vereinigt wurde. Eine neue autonome Landeskirche bildete sich
im 19. Jahrh. im jetzigen
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 876.